Euphemierung
Verschwurbelte Sprache -
politisch korrekt?
Früher war angeblich alles anders, schlechter, unpassend, diffamierend, undifferenziert, unsensibel - was die Sprache angeht. Sprachexorzisten machten sich ans Werk, Unwörter zu benennen und zu beseitigen. Dabei ging es nicht etwa um die von Politikern und Juristen geschaffenen Ungetüme wie "Qualifizierungs-Offensive" oder Gesetzes-Bezeichnungen wie
"Private Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz", sondern um Wörter, die schon lange umgangssprachlich existierten. Als Beispiel gälten das Schnitzel und die Soße, die aber nicht in Sinti-... oder Roma-... umgetauft wurden, und die Operette, betitelt nach einem Baron, beginnt nach wie vor mit dem bösen Z-Wort. Selbst die Bezeichnung "Fahrendes Volk" gilt nicht mehr als salonfähig, wurde daher amtlich ersetzt durch das Kürzel "MEM", was da heißen soll "Mobile Ethnische Minderheit". Schön, weil unverständlich.
"Unterschicht" ist schon lange nicht mehr gesellschaftsfähig und wurde ersetzt durch den Begriff "Präkariat".
Wenn man weiß, daß das Adjektiv "praecarius" im Lateinischen bedeutet "durch Bitten, Betteln erworben", dann erkennt man eines der Prinzipien der Political Correctness, nämlich Verschleierung bis zur Unkenntlichkeit. PC-Burka? Gelegentlich denke ich an die Orwellsche Gedankenpolizei, die mit dem Wörterbuch der Neusprache unter dem Arm durch das Gesellschaftssystem schleicht. Und dieses Wörterbuch wurde von Jahr zu Jahr dünner. Verknappung der Sprache verknappt das Denken und fördert das Wachstum der Heuchelei. Die Macht der Sprache - das macht die Sprache...
Aus diesen Überlegungen erwuchs der Entschluß, hier eine neue Kategorie einzuführen. Sie heiße:
Euphemierung
Darunter ist zu verstehen, Wörter politisch korrekt so umzuformulieren, daß niemand mehr versteht, was damit gemeint ist.
Und das gelingt am besten mit Verfremdung, also Verwandlung in Fremdwörter.
Derart ausgebürgert aus dem heimischen Wortschatz, ergibt sich etwa für "Faulheit" die Formulierung
"zeroische Motivation".
Künftig können hier derartige Neuwörter (Neologismen) aus meiner eigenen Werkstatt gefunden werden...
Da der Begriff
"Altersfleck"
diskriminierend ist,
werde er ersetzt durch
"Senioren-Patina".
Da das alte Schimpfwort "Arschloch" inzwischen quasi salonfähig geworden ist - es wird vornehmlich gegenüber Autoritäten angewandt - , bietet sich eine elitäre (außerdem schwer justiziable) Variante an:
Stoffwechselendprodukt-Outlet
Zugleich wird hier der Hang zur Denglisierung bedient.
Euphemierung - hier sei schlicht einmal "Schönrednerei" gesagt, gilt auch für politische Ideen und Vorstellungen von Machbarkeit.
Schön, daß es heute noch Grünen-Politiker gibt, die sich Gedanken über die Realisierbarkeit der Ideen machen, die vor einem Wahlkampf unter das Wahlvolk geschleudert werden.
Winfried Kretschmann ist ein solcher. Gut, daß es ihn gibt.